Ich selbst spiele recht gerne Magic the Gathering – hauptsächlich EDH, weil es in der Regel als nettes Spiel in netter Runde gestalten lässt, und nicht so sehr auf Turnier und Gewinn ausgerichtet ist. Jedenfalls in der passenden Runde. Da kommt dann aber schon das Problem – spielen kann ich eigentlich nur auf MTGO (also Online), da ich in den seltensten Fällen rechtzeitig zum lokalen Spieletreff komme. Man kann natürlich einfach mit ein paar Kumpels spielen, aber dann brauchts Decks. Dann gibt es aber das Problem, dass da mehrere mit fremden, unbekannten Decks spielen – und EDH Decks haben ja nunmal eine thematische oder mechanische Ausrichtung die man kennen muss um es sinnvoll und gut einzusetzen. Was dann denjenigen bevorteilt, der die Decks gebaut hat und kennt.
Daher habe ich mich in letzter Zeit mal mit ein paar Mehrspieler-Varianten von Magic beschäftigt, die man gut so als spontane Spielrunde aufbauen kann, die aber meiner zweiten Leidenschaft – dem Deckbau – Befriedigung verschaffen.
Da ist natürlich das bekannteste und wohl verbreitetste – der Cube. Dabei baut jemand einen großen Stapel an Karten zu einem Cube zusammen, aus dem dann Drafts gezogen werden. Da sind dann allerdings mehrere Probleme dabei. Das erste Problem: der Cube muss sehr gut balanciert werden, da man eben einen Draft macht – also Karten zufällig zu Booster Packs zusammenstellt aus denen dann die Spieler ihre Decks bauen. Im Prinzip steckt man in den Cube das an Design rein, was man auch in einen Magic-Set stecken müsste. Das kann viel Spaß machen, erfordert aber schon einiges an Aufwand. Man kann da natürlich Netz-Listen von Cubes holen und die Karten besorgen – aber in der Regel will man ja seinen eigenen Cube haben. Das zweite, für mich schwerwiegendere Problem: man macht eben eines der Limited Formate, Draft oder Sealed. Also den ganzen Cube mischen (Problem 3 – wie mischt man 500 Karten?), dabei auf Seltenheit (nicht zwingend identisch mit der originalen Seltenheit. sondern eher eine Gewichtung in A/B/C Karten), dann daraus „Booster“ zusammenstellen und vorbereiten, dann kann man loslegen mit dem Spiel. Sorry, nein, erst kommt der Draft. Und dann der Deckbau. Ooops – da hat man dann die Einsteiger schnell verloren, denn Gelegenheitsspieler können vielleicht schnell lernen wie man spielt, aber wie man draftet oder ein Deck baut, das ist schon etwas aufwändiger. Cube selber fällt für mich also aus.
Dann bin ich über das Stack-Format gestolpert und war sofort begeistert. Ich will ja gar nicht wirklich einen eigenen Set designen – ich will einfach nur mit coolen Karten spielen und das ganze so, dass man auch Gelegenheitsspieler nach spätestens einer offenen Runde (also eine Runde bei der alle Decks offen sind, damit man Sachen erklären kann und sich gegenseitig helfen kan) mit reinnehmen kann. Der Design-Aspekt ist also da – ich kann mir Gedanken über die Karten machen die rein sollen, so viel oder so wenig ich will – und der Setup wenn man mal spielen will ist auch niedrig. Und durch das automatische Mana-Fixing in dem Format haben auch Einsteiger ihren Spaß, weil sie in der Regel irgendwas gespielt bekommen das auch Impact bringt. Bleibt eigentlich nur zwei Probleme: zum Einen muss man wieder 500 Karten mischen und dann daraus Extrakte ziehen von denen man dann halt nicht weiss wie sich das Spiel mit dem Gemeinschaftsdeck darstellt und zum Anderen gibts trotz Manafixing Probleme ein konsistentes Spiel zu gestalten – es ist eben sehr viel zufälliger. Die Deckgestaltung existiert nahezu gar nicht, es gibt nicht mal eine Vorauswahl an Farben.
Ein weiteres Casual-Format aus der Stack-Familie ist Big Box Magic (oder Commie Box Magic wie es jetzt heisst). Da gibt es auch eine gemeinsame Bibliothek, aber eben nach Farben geteilt. Und der Spieler baut sich vorher eine Farbidentität durch die Auswahl seiner 12 Länder zusammen. Was mir daran gut gefällt: ich kann damit zumindestens eine grobe Ausrichtung geben, weil sich ja die Farben doch recht unterschiedlich spielen. Und durch die Landauswahl stelle ich schon mal eine grobe Idee auf, wie ich spielen will – leider kann das sehr schnell mit der Realität der gezogenen Karten in Konflikt kommen. Ich hab auf blau-weiß mit grün-sprenkel gesetzt, aber kriege bei Grün immer nur 3-grün fette Jungs, da wirds schnell traurig.
Ausserdem haben beide Formate auch noch ein Problem: es ist eben nicht mal ansatzweise sowas wie Commander. Ja, es sind Singleton-Formate (jedenfalls wenn der Stack/Cube-Designer das will), aber es sind eben keine Commander da. Und das hat mich dann dazu bewogen meine eigene Variante zu entwerfern, eine Mischung aus Commander und den beiden Stack-Formaten. Mein Versuch aus den Ideen eine gemeinsame Basis zu bauen mit der man Magic eher als Gesellschaftsspiel spontan spielen kann, ohne großen Setup, mit Gestaltungsmöglichkeit für die Spieler und mit Deckbau-Möglichkeit für mich. Und ohne 500 Karten mischen zu müssen (jedenfalls auf einmal).
Grundidee ist eine gemeinsame Bibliothek wie in Commie Box Magic (also die 5 Farben als eigene Stapel – und in meinem Fall auch wirklich nur reinfarbige Karten) und ein gemeinsamer Friedhof. Der Friedhof wird genauso wie die Bibliothek auf Farben geteilt und es gibt einen 6. Stapel mit Artefakten und nicht-Standard-Ländern und einem dazu gehörigen Friedhof. Alle Bibliotheken und Friedhöfe sind gemeinsames Eigentum – aber immer gefiltert nach der Farbidentität des betroffenen Spielers. Ich habe mich dafür entschieden pro Farbe 70 Karten auszuwählen und für jede Farbe 30 Standardländer auszulegen. Bei vielen Spielern sollte man den Länderstapel wohl größer auslegen, sonst ist der zu schnell leer.
Farbidentität ergibt sich aus der Auswahl des Commanders durch die Spieler. Ich habe einen Satz von Drachen – die Shard- und Feindesfarben-Drachen, davon sind immer die zwei mit gleicher Primärfarbe gebündelt. Das reicht für bis zu 5 Spielern – jeder kann eine Primärfarbe wählen und dann darin seinen Kommandodrachen. Will man mehr als 5 Spieler, habe ich einen Satz von Gildenkommandanten, zwei pro Gilde. Das geht also bis 10 Spieler, sollte für meine Zwecke völlig reichen. Die Gildenkommandanten bieten sich auch an, wenn mehrere Spieler gleiche Primärfarben wollen und es keine Einigung auf die Verteilung der Drachen gibt. Oder wenn man halt nicht mit drei sondern nur mit zwei Farben spielen will – das schränkt zwar etwas ein, hat aber den Vorteil, dass Spieler schneller ein Gefühl für die zwei Farben im Fokus entwickeln können, einfach weil die Menge an Karten geringer sind. Die Drachenvariante ist auch ideal für 2HG Spielvarianten – die beiden Spieler eines Teams nehmen die Drachen mit gleicher Primärfarbe, das Team deckt damit alle 5 Farben ab, hat aber trotzdem Synergien. Damit lassen sich bis zu 5 2er Teams aufstellen.
Das Spiel gestaltet sich also erstmal aus der Auswahl und Verteilung der Kommandanten. Danach zieht jeder Spieler seine Hand aus der Bibliothek – natürlich nur aus den farblich passenden Stapeln. Dazu kann jeder Spieler 3 oder 4 Karten aus den eigentlichen Kartenstapeln ziehen und dann seine Hand auf 7 aus den Ländern auffüllen. Gezogen wird reihum, da ja Bibliothekenstapel gemeinsam genutz wird – also Spieler eins zieht die erste Karten, Spieler zwei die erste, bis alle die erste haben – dann die Runde für die zweite Karte und so weiter. Dadurch kann jeder Spieler nachsteuern welche Farbe (oder ob er Artefakte brauch) er ziehen will und auch ab wann und wie viel Länder und welche Länder er will. Das sollte jedem eine spielbare Starthand geben, ohne große Mulligan-Regeln.
Das Spiel selber gestaltet sich genauso wie normales EDH – man startet mit 40 Leben, es gibt Kommandantenschaden von 21, Giftzähler von 10 und so weiter. Alles wie gehabt. Besonderheiten gibt es nur beim Ziehen von Karten, bei allen Karten die die Bibliothek referenzieren und bei allen Karten die den Friedhof referenzieren. Eine Besonderheit gibt es noch mit dem Kommandanten – es gibt keinen Tuck. Der Kommandant geht immer in die Kommandozone, nie in die Bibliothek – sonst könnte jemand anderes meinen Kommandanten ziehen und mangels passendem Mana nicht spielen können.
Karten ziehen gibt es in zwei Varianten: das Standardziehen von Karten und das durch Karten oder Fähigkeiten ausgelöste Ziehen von Karten. Bei normalen Ziehen in der Kartenzieh-Phase kann der Spieler wählen, aus welchem Teil der Bibliothek er ziehen will. Hier stehen alle Farben seiner Farbidentität und der Artefaktestapel zur Verfügung. Ein Spieler kann also entweder eine Karte in seiner Farbidentität ziehen, ein Land in seiner Identität oder eine farblose Karte. Zusätzliches Ziehen von Karten geschieht genauso, nur dass der Artefaktestapel nicht verfügbar ist. Der Grund ist einfach: alle Spieler teilen sich den Artefaktestapel und der wäre schlicht zu schnell leer wenn man davon immer ziehen könnte, Artefakte sind nunmal oft die „Joker“ in Magic. Wenn ein Stapel leer ist, kann man davon eben nicht mehr ziehen – da jeder Spieler durch seine Farben mindestens 300 Karten zum Ziehen hat (zwei Farbstapel, zwei Standardlandstapel und der Artefaktestapel bei der Gildenvariante, 400 Karten bei der Drachenvariante), sollte man immer irgendwas ziehen können. Wer als erster nichts mehr ziehen kann hat wie im normalen EDH auch verloren.
Was ist mit Karten, die sich auf die Bibliothek beziehen? Also zum Beispiel mit Tutoren (ich selber vermeide die in meinem Stapel) oder die auf die obersten Karten der Bibliothek gehen? Diese verhalten sich genauso wie zusätzliches Ziehen von Karten, aber ohne Länder – also gehen direkt auf die farbigen Stapel der eigenen Farbidentität. Zusätzlich muss der Spieler eine Farbe der Farbidentität wählen bevor er die Aktion auslöst – Scry 3 guckt also nur in den Stapel einer Farbe (dadurch, dass nur Nicht-Länder in dem fraglichen Stapel sind, wäre ein Verteilen über mehrere Stapel dann doch zu mächtig). Der Stapeldesigner sollte tunlichst Karten vermeiden, die zum Beispiel sich auf Länder oder Nichtländer beziehen – in einem gewählten Stapel sind ja immer nur Nicht-Länder. Einige Karten sind also schlicht nicht kompatibel mit diesem Format. Was ist mit der Bibliothek des Gegners? Genauso – nur wird halt eine Farbe der Farbidentität des Gegners gewählt. Und ja, die eigene Bibliothek und die Bibliothek eines Gegners können sich überlappen. Top-Manipulation hat also oft eher den Charakter von „einem Gegner was wegnehmen“ als den Charakter „etwas für den nächsten Zug bereitlegen“ – Hellsicht ist also eher ein offensives Werkzeug. Denn schließlich kommt jeder Gegner mit überlappender Farbidentität in den potentiellen „Genuss“ meiner bereitgelegten Karte. Das öffnet gleich ganz neue politische Strategien!
Und der Friedhof? Da ist ja auch alles zusammen drin. Simple Lösung: der Friedhof ist genauso nach Farben sortiert wie die Bibliothek. Karten die auf den Friedhof gehen werden auf den Stapel ihrer Farbe gelegt. Mein Friedhof sind dann alle Friedhofsstapel aus meiner Farbidentität – und zusätzlich der Artefaktefriedhof. Der Friedhof eines Gegners sind alle Stapel in seiner Farbidentität – und zusätzlich der Artefaktefriedhof. Reanimation kann also ohne weiteres Karten zurückbringen die eigentlich ursprünglich mal jemand anderem gehörten! Auch wenn nach der Anzahl von Kreaturen in den Friedhöfen deiner Gegner gefragt wird – einfach die gemeinsame Farbidentität der Gegner nehmen und dann die Kreaturen in den dazu passenden Friedhofstapeln und im Artefaktestapel zählen. Ja, der Starrer vom 6. Revier kann dadurch ziemlich monströs ausfallen!
Der Designer des Stapels sollte natürlich entsprechend des Formates designen – zum Beispiel machen Mühlsprüche wie die Archivfalle absolut keinen Sinn, da durch die geteilten Bibliotheken gar nicht klar ist, wessen Karten man wegmühlt. Kleine Mühleffekte sind ok, aber Sinn machen sie eigentlich auch nicht – da ist das eher nur so, dass man sie akzeptiert weil man die Karte aus anderen Gründen drin haben will. In der Regel sollte man sie vermeiden. Genauso Karten die in Friedhöfen oder Bibliotheken oder Exilen (das auch geteilt wird, aber da man darauf nicht oft zugreift ist der Part eher Wurscht) von Eigentümer reden – „bringe alle Kreaturen in Friedhöfen unter der Kontrolle ihrere Besitzer ins Spiel“ ist hier ziemlich blöd, weil wer ist der Besitzer von gemeinsam genutzten Friedhofsstapeln? Also beim Design immer drauf achten, dass die Karten hier auch wirklich ohne Konflikte oder großes Kopfkratzen gespielt werden können.
Generell habe ich mir als Basis für jeden Farbstapel das Kredo „Good-Stuff-Deck mit Theros-Gott als Idee“ gesetzt. Dadurch bekommen die Farbstapel ein bischen Charakter und die Spieler können durch die Farbwahl entscheiden in welche Richtung ihr Spiel gehen soll. Für die Artefakte habe ich den Fokus auf die farblosen Hilfsländer gelegt und ansonsten natürlich viel auf Ausrüstungen und Hilfsartefakten mit niedrigen Kosten. Auch deshalb die obige Regelung mit Zugriff auf die Artefaktebibliothek nur zum Zeipunkt des primären Kartenziehens – sonst greift sich ein Nin-Spieler schnell die ganzen Waffen …
Ein Manko des Fomates ist die schlechte Unterstützung für Goldkarten – bisher nur als Kommandanten, ansonsten nur rein-farbige Karten. Eine Idee wäre den Kommandanten – zumindestens in der Gildenversion – eine private Bibliothek von Goldkarten mitzugeben, die dann nur dieser eine Spieler kontrolliert. Das macht es zwar etwas komplizierter, bietet aber auch die Möglichkeit sich darüber eine echte Gildenidentität zu entwerfen und damit der Kommandantenwahl noch mehr Bedeutung zu geben. Allerdings kommt man da recht schnell in die Situation von oben, dass Gelegenheitsspieler mit der Bewertung der Privatbibliotheken überfordert sind und geübtere Spieler deutlich bevorteilt werden. Da muss ich wohl erstmal ein bischen Spieltesten, bevor ich darüber entscheide – am besten auch erstmal ohne diese Gildenbibliothek. Spart auch Zeit und Karten, wenn ich das erstmal ohne mache.
Das schöne an dem Format: der Setup ist ähnlich einfach/komplex wie bei einem der komplizierteren Gesellschaftsspiele wie zum Beispiel den Siedlern – 5 Kisten mit 70 Karten und 30 Ländern, je Farbe eine Kiste. Länder abtrennen und hinlegen, 70 Karten mischen und hinlegen. Dann die 100er-Kiste mit den Artefakten und farblosen Ländern mischen und hinlegen. Kommandanten auf den Tisch zur Auswahl, und dann kann es losgehen.
Magic spielt hier voll seinen Vorteil aus, dass Karten oft recht gut verstanden werden können wenn man einfach nur den Text liest – ich hab aus dem Grund auch darauf geachtet nur deutsche Karten zu benutzen. Eventuell werde ich auch noch mal die Auswahl durchgehen und allzu komplizierte Karten (oder Karten mit Schlüsselworteigenschaften ohne Erklärungstext) rauszusortieren und durch einfachere Karten zu ersetzen. Auch wenn ich dann einige liebgewonnene Karten opfern werde. Ich habe auch so schon nur einen Planeswalker pro Farbe drin zum Beispiel.
Ob das Format funktioniert werden natürlich nur Spieletests ergeben. Ich werde berichtet, ob Top oder Flop.